Über die Hälfte der Bundesbürger hat Schwierigkeiten, Gesundheitsinformationen zu finden und zu bewerten. Über 6 Millionen Menschen haben Schwierigkeiten, Gesundheitsinformationen überhaupt zu verstehen. Zahlen und Fakten zum Stand der Literalität und Gesundheitskompetenz (Health Literacy) in Deutschland, aufbereitet in Infografiken.
Die folgenden Infografiken basieren auf zwei für den Bereich Gesundheitskompetenz (Health Literacy) relevanten Studien:
- Die Alphabetisierungsstudie LEO 2018 untersucht die Lese- und Schreibkompetenzen von Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 64 Jahre. Durch sie erhalten Gesundheitsexperten wertvolle Rückschlüsse, welche Auswirkungen eine mangelhafte Literalität auch auf die individuelle Gesundheitskompetenz und das Gesundheitssystem als Ganzes haben kann.
- Bei der HLS-GER handelt es sich um eine repräsentative Untersuchung zur Gesundheitskompetenz in Deutschland, bei der 2.000 Bürgerinnen und Bürgern befragt wurden. Ziel der Umfrage ist es, Rückschlüsse auf den Stand der Gesundheitskompetenz in Verbindung mit demographischen Daten wie Alter oder Bildungsstand zu erhalten.
- Beide Studien geben also wertvolle Insights zur individuellen Gesundheitskompetenz in Deutschland. Der Bereich Lese- und Schreibkompetenz stellt einen gesonderten Teilbereich innerhalb des Themenfelds Health Literacy dar. Denn wie wir sehen werden, hat eine geringe Literalität direkte Auswirkungen auf die Gesundheitskompetenz.
Wir als Experten für Gesundheitskommunikation wollen unseren fachlichen Beitrag leisten zu besseren und verständlicheren Gesundheitsinformationen für ALLE Bevölkerungsgruppen. Leichte Sprache, die sich gezielt an Menschen mit eingeschränkter Literalität wendet, ist eines unserer Spezialthemen und in unseren Augen ein zentrales Tool für die Aufbereitung verständlicher Gesundheitsinformationen. Warum das wichtig ist, verdeutlichen diese Infografiken.
12,1 % der deutschsprachigen Bevölkerung im Alter 18-64 Jahren sind dem Alpha-Level 1-3 zuzuordnen, verfügen also über eine geringe Literalität. Das sind 6,2 Mio. Menschen!
Männer stellen mit 58,4 % (3,62 Mio.) die Mehrheit der gering literalisierten Erwachsenen der Alpha-Level-Gruppe 1-3. Der Anteil der Frauen dieser Gruppe ist mit 41,7% (2,58 Mio.) deutlich geringer. Erwachsene über 45 Jahre machen den größeren Teil der gering literalisierten Erwachsenen aus. Den beiden ältesten Jahrgangsgruppen (1953- 1962 und 1963-1972) gehören 46,9 Prozent der gering literalisierten Erwachsenen an. Nur 12,1 % entstammen der jüngsten Altersgruppe (18-25 Jahre). Für mehr als die Hälfte der Menschen mit geringer Literalität ist Deutsch die Herkunftssprache (52,6%, 3,26 Mio). Etwas weniger als die Hälfte (47,4%, 2,94 Mio) snd nicht mit Deutsch als Herkunftssprache aufgewachsen. Von den gering literalisierten Erwachsenen im Alter von 18 bis 64 Jahren sind 54,2 % verheiratet und damit die größte Gruppe. 30,7 Prozent sind ledig, 12,2 Prozent sind geschieden. In der Gesamtbevölkerung sind diese Anteile sehr ähnlich.
Menschen der Gruppe Alpha-Level 1-3 haben große Probleme, gängig aufbereitete Texte und Informationen zu verstehen, auch Gesundheitsinformationen. Das hat direkte Folgen für Ihre Gesundheitskompetenz: Diese ist infolge der Verstehensschwierigkeiten stark eingeschränkt. Sie gehören zu einer großen Gruppe von Bundesbürgern mit defizitärer Gesundheitskompetenz.
Aber was bedeutet Gesundheitskompetenz eigentlich genau?
Die HLS-GER Studie der Universität Bielefeld zeigt Drastisches: Über die Hälfte der deutschen Bevölkerung (54,3%) gibt an, für sie relevante Gesundheitsinformationen nur schwer finden, bewerten und anwenden zu können. Die Mehrheit der deutschen Bevölkerung verfügt demnach über eine inadäquate bis problematische Gesundheitskompetenz (GK).
Der Anteil der Menschen mit inadäquater oder problematischer Gesundheitskompetenz (GK) ist in der Altersgruppe 65 Jahre und älter ist mit 66,3% am höchsten, gefolgt von der Altersgruppe 46-64 Jahre, in der sich 55,2 % eine inadäquate und problematische GK attestieren. Bei Menschen mit Migrationshintergrund verfügen 70,5% über eine inadäquate oder problematische GK, bei Menschen ohne Migrationshintergrund sind es nur 52,8 %.
Dass Bildung eine Schlüsselkompetenz für eine gesunde Lebensführung ist, lässt sich am Zusammenhang von Bildungsgrad und Gesundheitskompetenz ablesen: 62,2% der Menschen mit niedrigem Bildungsgrad haben eine problematische oder inadäquate GK, bei Menschen mit hohem Bildungsgrad sind dies mit 51,3% etwa 15% weniger.
Der Vergleich der Gruppe der Menschen mit inadäquater Health Literacy mit der Gruppe mit exzellenter Gesundheitskompetenz zeigt: Erstgenannte Gruppe ernährt sich deutlich ungesünder und bewegt sich körperlich weniger.
Diese Kausalkette (geringe Literalität > Verstehensschwierigkeiten > inadäquate Gesundheitskompetenz > ungesunder Lebensstil) bleibt nicht ohne Folgen. Für das persönliche, gesundheitliche Wohl – und für das Gesundheitssystem als Ganzes.
Häufigere Einnahme von Medikamenten, mehr Arztbesuche, häufigere Krankenhausaufenthalte. Menschen mit eingeschränkter Health Literacy nutzen das Gesundheitssystem wesentlich öfter als jene mit exzellenter Health Literacy. Das ist den einzelnen Menschen nicht vorzuwerfen, denn die Ursachen sind strukturell, und doch verursacht geringere Gesundheitskompetenz enorme Kosten für das Gesundheitssystem und damit für die Allgemeinheit.
Ein Grund für diese Zahlen: Es fehlen essentielle, leicht verständliche Gesundheitsinformationen in der Prävention und in der Therapie. Sei es in Leichter Sprache (für die Gruppe der Menschen mit eingeschränkter Literalität) oder in leicht verständlicher Sprache.
Bei gesundheitlichen Beschwerden wenden sich sowohl Menschen mit eingeschränkter Health Literacy (83,9 %) als auch mit guter Health Literacy (77,4 %) bevorzugt an ihren Hausarzt. Letztere nutzen jedoch weitaus häufiger auch das Internet als Informationsquelle für Gesundheitsthemen (31,5 % Menschen mit guter HL vs. 20,2 % Menschen mit eingeschränkter HL).
Signifikant: Der Anteil der Menschen, die eine Erklärung zu gesundheitlichen Fragen von ihrem Haus- oder Facharzt oder von Institutionen wie Apotheke oder Krankenkasse schon einmal nicht verstanden hat, ist bei Menschen mit defizitärer Health Literacy (HL) weitaus höher als bei jenen mit guter oder sehr guter Gesundheitskompetenz (Facharzt: eingeschränkte HL: 52,8 % vs. gute HL: 40,1 % / Hausarzt: eingeschränkte HL 46,9 % vs. gute HL: 35,3 %).
Über die Hälfte der Menschen mit eingeschränkter Health Literacy hat schon einmal Gesundheitsinformationen ihres Facharztes nicht verstanden. Bemerkenswert: Der Anteil der Menschen, die trotz guter Health Literacy ihren Facharzt bereits einmal nicht verstanden haben, ist mit rund 40 % alles andere als gering.
Was heißt das?
Was fehlt, ist die zielgruppengerechte Kommunikation – sowohl in der Arzt-Patienten-Kommunikation, als auch institutionellen Kommunikation, z.B. von Krankenkassen mit ihren Mitgliedern! Dieses gilt nicht nur für Gruppe von Menschen, die ohnehin ob ihrer defizitären Gesundheitskompetenz benachteiligt ist. Auch Menschen mit guter oder exzellenter Gesundheitskompetenz verstehen ihren Hausarzt, Facharzt und Informationen ihrer Krankenkasse des öfteren nicht. Es handelt sich also um ein grundlegendes Problem.
Wie sollen Menschen mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz Gesundheitsinformationen verstehen, wenn schon jene mit guter Gesundheitskompetenz das oft nicht können?
- Der Anteil der Menschen mit eingeschränkter Literalität (Alpha-Level 1-3) ist mit rund 6 Mio. Menschen hoch
- Diese Menschen verstehen Gesundheitsinformationen nur schwer oder eingeschränkt. Eine Folge: mangelhafte Gesundheitskompetenz.
- Die Gruppe der Menschen mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz in Deutschland ist mit rund 54 % sehr hoch.
- Die Gruppe der Menschen mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz ernährt sich deutlich ungesünder und bewegt sich deutlich weniger als Menschen mit guter Health Literacy. Ihre gesundheitliche Prävention ist somit mangelhaft.
- Menschen mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz sind häufiger krank bzw. chronisch krank und nutzen das Gesundheitssystem wesentlich öfter.
- Ein hoher Anteil der Menschen mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz präferiert den Hausarzt als Informationsquelle für Gesundheitsfragen.
- 46,9 %, fast die Hälfte der Menschen mit eingeschränkter Health Literacy, haben die Empfehlungen ihres Hausarztes bei gesundheitlichen Problemen bereits einmal nicht verstanden.
- 35, 3 % der Menschen mit guter Health Literacy haben die Empfehlungen ihres Hausarztes bei gesundheitlichen Problemen bereits einmal nicht verstanden.
- Das Thema verständliche Gesundheitsinformationen ist ein grundlegendes, strukturelles Problem, das nicht nur – aber vor allem – Menschen mit eingeschränkter Health Literacy betrifft!
Bessere, weil verständliche Gesundheitskommunikation: Das ist einer unserer Schwerpunkte. Leichte Sprache, Erklärfilme in Leichter Sprache oder Illustrationen für Medien in Leicher Sprache: Wir bereiten Gesundheitsinformationen zielgruppengerecht und anlassbezogen auf. Das ist unser fachliches UND unser persönliches Ziel.
Stichwort persönlich: Unser persönliches Statement zum Stand der Health Literacy in Deutschland lesen Sie hier.
Natürlich sprechen wir auch gerne mit Ihnen darüber! Das Thema ist viel zu wichtig, um darüber zu schweigen.